Freightliner Cascadia: Der Geistertruck von Albuquerque (2024)

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Freightliner Cascadia: Der Geistertruck von Albuquerque (1)

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Der erste Eindruck: Was. Für. Ein. Monster. Vier Meter hoch, über sieben Meter lang und fast neun Tonnen schwer. Der Freightliner Cascadia zählt zu den dicksten Trucks auf US-Straßen. Der Lkw zieht bis zu 36,3 Tonnen und misst mit Trailer 23 Meter. Doch dieser Truck von Torc Robotics kann noch mehr: Er fährt selbstständig nach Autonomie-Level vier, ganz ohne Fahrer. Das Fahrzeug übernimmt die Verantwortung für den Verkehr und der Pilot kann sich zurücklehnen und entspannen – oder erst gar nicht an Bord sein.

Das sagt der Hersteller: Mit einem aktiven Geschwindigkeitsassistenten, der auf Autobahnen den voreingestellten Abstand hält, sind viele Trucks und Autos seit Jahren ausgestattet. Der Pilot muss während der Fahrt lediglich lenken. Bei Level-drei-Fahrzeugen übernimmt das System auch diese Arbeit, der Fahrer muss aber in Notfällen oder schwierigen Wetterbedingungen eingreifen, wie bei plötzlichem Schneefall, Starkregen oder Nebel. Dieses System gibt es seit 2022 als Staupilot bei einigen Pkw von Mercedes-Benz. Dabei übernimmt das Auto bis zu einer Geschwindigkeit von 60 km/h die Kontrolle. Level-vier-Fahrzeuge benötigen keine Piloten mehr, sie fahren auf einer vorher festgelegten Route oder hin zu einem Ziel selbstständig, also ganz ohne Fahrer.

Seit 2021 ist der Cascadia autonom nach Level vier unterwegs, seit 2022 testen die Techunternehmen Torc Robotics und Waymo die Lastwagen auf öffentlichen Straßen. Zurzeit sitzt allerdings noch ein erfahrener Trucker als Sicherheitsfahrer hinter dem Lenkrad. So kann er in Notsituationen eingreifen. Noch. »Der Sprung von Level drei auf vier ist sehr groß, denn kein Fahrer kann in brenzligen Situationen eingreifen. Daher muss das System immer zu 100 Prozent funktionieren«, sagt Peter Vaughan Schmidt, CEO von Torc. Das Unternehmen mit rund 600 Mitarbeitern beschäftigt sich seit über 15 Jahren mit autonomem Fahren.

Freightliner Cascadia: Der Geistertruck von Albuquerque (2)

Fotostrecke

Daimlers Robotruck auf autonomer Fahrt

Foto: Fabian Hoberg/ Freightliner Trucks

Der technische Aufwand ist hoch. Neben rund 40 Sensoren inklusive Kamera, Radar, Mikrofonen und Lidar kommen schnelle Rechner zum Einsatz. Damit sollen auch Fahrten bei Nebel und Schnee möglich sein. Sicherheitsrelevante Bauteile wie Lenkung, Bremse und Netzwerk sind redundant ausgelegt, ebenso wie die Bordspannung für die Technik. Neben Torc Robotics baut auch das amerikanische Technologie-Unternehmen Waymo Lkw auf Level vier um. Die Fahrzeuge unterscheiden sich an den Sensoren, arbeiten ansonsten identisch. Im Vergleich zu Autos liegt der Materialaufwand bei Lkw allein schon durch die Fahrzeuglänge höher – und das erhöht die Kosten. Lkw-Hersteller MAN entwickelt unter anderem mit der Technischen Universität München (TUM) und dem Fraunhofer-Institut den Truck Atlas-L4 und testet ihn derzeit in Deutschland. Das Akronym steht für »Automatisierter Transport zwischen Logistikzentren auf Schnellstraßen im Level 4.« Auch daher gehen Experten davon aus, dass sich Level-vier-Fahrzeuge eher im Nutzfahrzeugbereich, bei Shuttles oder Robotaxen durchsetzen werden. Mercedes-Benz hat zwar seit Ende November 2022 eine Zulassung für Level vier in Pkw – allerdings nur als automatisches Parksystem in einem Stuttgarter Parkhaus.

Das ist uns aufgefallen: Im Sleeper Cab Raised Roof des riesigen Cascadia befinden sich statt großem Bett, Kühlschrank, Mikrowelle, Fernseher und Tisch nur zwei Sitze, ein großer Computerschrank und ein Monitor. Mittels eines Schalters an der linken Seite des Lenkrades aktiviert der Sicherheitsfahrer das Automated Driving System (ADS). Auf die Autobahn fährt der Cascadia automatisch auf, setzt Blinker, lässt zwei Autos durch und schlängelt sich geschmeidig auf die Fahrspur. Auf einem Monitor in der hinteren Kabine tauchen andere Verkehrsteilnehmer als Rechtecke auf, verschwinden wieder. Ist eine Fahrspur besetzt, leuchten sie auf dem Monitor rot, der Cascadia bleibt dann stur auf seiner Spur, reduziert seine Geschwindigkeit und wartet auf eine passende Lücke.

Mit rund 60 Meilen pro Stunde (knapp 100 km/h) stampft der Truck über die Interstate bei Albuquerque (US-Bundesstaat New Mexico), die anderen Verkehrsteilnehmer blicken teilnahmslos nach vorne. Bis auf die Schrift am Trailer und die Sensoren am Truck gibt es keinen optischen Unterschied zu einem normalen Lastwagen. Während der Testfahrt spricht der Sicherheitsfahrer permanent mit seiner Begleitung, die seine Kommentare in einen Computer tippt, damit Ingenieure bei jedem Fahrmanöver eine genaue Rückmeldung erhalten. Ziel ist es, bei Serienfertigung ein möglichst natürliches und flüssiges Fahrverhalten zu bekommen.

Das muss man wissen: Torc Robotics baut den Lastwagen der Daimler-Truck-Tochter Freightliner zum Roboter-Lkw um. Vor allem ist er so gut wie serienfertig. Derzeit spulen rund 30 Lkw im südlichen Teil der USA ihre Meilen ab, um weiter Erfahrungen zu sammeln. 2025 sollen die ersten Trucks ganz ohne Fahrer auf öffentliche Straßen kommen, wenig später zu Kunden in den USA. Ein Einsatz für Europa ist möglich, da die Technik auch in hiesige Lkw integriert werden kann. Vor Ende des Jahrzehnts rechnen die Ingenieure aber nicht damit. Sie zeichnen gleich zwei Einsatzmöglichkeiten auf:

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So könnte der Fahrer die Technik als Assistenzsystem nutzen und sich auf langen Strecken ausruhen, schlafen oder seinen Papierkram erledigen. Wenn die Trucks langsamer und gleichmäßiger fahren, sparen sie zudem Kraftstoff oder Energie, was dem Spediteur und der Umwelt zugutekommt. Erst in der Stadt würde der Trucker wieder die Kontrolle über den Lastwagen übernehmen. Trucker könnten so länger fahren. Oder sie transportieren Waren und Güter wie bisher zu einer Verladestationen, dem sogenannten Hub. Dort koppeln sie den Trailer ab und ein autonom fahrender Lkw zieht die Ladung die nächsten Stunden über den Freeway oder Highway zur finalen Hub-Station. Dort übernimmt ein menschlicher Fahrer die Ladung und liefert sie in der letzten Meile aus – ähnlich einem Verladebahnhof der DB Cargo in Deutschland.

Freightliner Cascadia

Hersteller

Daimler Truck North America

Typ

Cascadia

Karosserie

Truck

Motor

14,8-Liter-Sechszylinder-Diesel DD15

Leistung

371 kW / 505 PS

Drehmoment

2372 Nm

Getriebe

12-Gang-Automatik-Getriebe

Antrieb

Hinterrad-Antrieb

Von 0 auf 100

k.A. Sek

Höchstgeschwindigkeit

max. 125 km/h

Verbrauch

ca 33 l / 100 km

Kraftstoff

Diesel

Reichweite

k.A.

CO2-Ausstoß

874,5 g/km

Länge/Breite/Höhe in mm

7772 / 2951 / 4000 (Zugmaschine ohne Trailer)

Gewicht

9000 kg

Preis

ca 215.000 US-Dollar

Damit würden weniger Lkw-Fahrer benötigt und es wäre eventuell eine Lösung für den Fahrermangel. Alleine in Deutschland fehlen derzeit rund 100.000 Lkw-Fahrer, in Europa rund 400.000 Fahrer, schätzt der Bundesverband Güterverkehr Logistik (BGL). Nach Angaben der American Trucking Association fehlen in den USA rund 80.000 Trucker, in sieben Jahren sollen es 160.000 Trucker sein. Bis 2030 sollen sechs Prozent der Fracht mit autonomen Lastwagen ausgeliefert werden, dann mit elektrischen Antrieben.

Ganz ohne Personal kommen aber auch die autonomen Systeme nicht aus: In Mission Controls beobachten Mitarbeiter die Trucks, kontrollieren die Fahrdaten und können die Fahrzeuge notfalls, wie bei Stürmen oder Starkwinden, parken.

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Das werden wir nicht vergessen: Wie sicher der Truck auf der Interstate 40 die Spuren wechselt und sich in den Verkehr einfädelt, ist bemerkenswert. Das Lenkrad dreht sich selbstständig, die Gänge wechseln automatisch und im Stop-and-go-Verkehr zischt die Druckluftbremse regelmäßig. Ohne, dass der Fahrer eingreift. Es gibt keine abrupten Bremsmanöver, kein schaukeliges Lenken. Selbst die Abfahrt von der Autobahn auf eine Landstraße vollzieht der Truck lässig und fährt bis in die wuselige Stadt – bei der Länge und dem Gewicht schon mit Fahrer ein kleines Wunder.

Fabian Hoberg ist freier Autor und wurde bei seiner Recherche von Freightliner Trucks unterstützt. Die Berichterstattung erfolgt davon unabhängig.

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